Pamplomila

Eine Meute waghalsige Männer lassen sich jedes Jahr von verwirrten Stieren durch die Strassen der Stadt Pamplona hetzen. Nicht weniger kühn waren die Männer und Frauen, die sich letzten Sonntag im kalten Acker über mehrere Meilen durch Gräben und Dickichte jagen liessen.

Eine Meute waghalsige Männer lassen sich jedes Jahr von verwirrten Stieren durch die Strassen der Stadt Pamplona hetzen. Nicht weniger kühn waren die Männer und Frauen, die sich letzten Sonntag im kalten Acker über mehrere Meilen durch Gräben und Dickichte jagen liessen. Die alljährlich stattfindende Tomila (nicht zu verwechseln mit der weit unbedeutenderen schwedischen Tiomila) fordert wegen der langen Wettkampfsdistanzen sowohl langen als auch kurzen O-Läufern viel ab. Die mutigsten der mutigen und härtesten der harten Kerle wagten sich auf die 30 Lkm lange Königsstrecke. Weniger die Distanz war der Grund, dass auch den Stärksten der Starken schon beim Gedanken an die Herausforderung die Knie schlotterten, sondern die Tatsache, dass wie in besagter baskischer Stadt ein Stier die waghalsige Gruppe durch die Wälder jagte. Nicht irgendein gewöhnlicher Muni .. nein, der grosse „White Bull“, stand mit rund einem Dutzend jungen Männern an der Startlinie auf der Lueg. Wohl manchem der Startenden rutschte beim Anblick des stattlichen Tiers sein wild klopfendes Herz etwas tiefer. Auch die schnellsten unter den Startenden hatten die weise Entscheidung gefällt die rote Kleidung, die sie sonst üblicherweise tragen im Schrank hängen zu lassen und eine Farbe zu wählen, die den Muni nicht noch mehr aufheizten als er bereits war.

Ein drohendes Schnauben des weissen Bullen zum Startzeitpunkt schüchterte die Läufer der Königsklasse mächtig ein. So erstaunte es nicht, dass sie sich zu Beginn, etwas gelähmt vor Angst, schon von einzelnen Läuferinnen der Königinnenkategorie überholen liessen. Hubmann liess sich als einziger nicht einschüchtern und wechselte auf den ersten Metern leichtfüssig ein paar freundliche Worte mit dem bereits arg schnaufenden, schwerfälligen Muni. Die meisten nutzen aber von Beginn weg die besagte Schwerfälligkeit des Tiers aus und traten die Flucht nach vorne an. Der weisse Bulle konnte von den meisten nur auf den ersten 2-3 Kilometer die angsterfüllten Blicke erkennen, die sie ihm zurückwarfen. Später musste er sich grösstenteils mit dem Wittern ihres Angstschweisses begnügen. Nur Lauenstein hatte am Start den Moment verpasst, sich am Bullen vorbeizuschleichen, nütze aber nach einigen Minuten die Gelegenheit und sprintete gefährlich nahe am schnaubenden Tier vorbei.

So vermochten schliesslich nur Zimmermann und Winteler den Stier nicht abzuhängen. Es gelang Ihnen jedoch nach rund einer Stunde den Bullen mit einer geschickten Finte in ein Dickicht zu treiben. Verzweifelt und leicht panisch versuchte sich der Stier aus der dornigen Gefangenschaft zu lösen, was ihm nach einigen Minuten auch gelang. Die Wut rötete ihm die Augen und vermochte ungeahnte Energiereserven freisetzen. Die Anstrengung liess jedoch die Wut in eine lammfrömmigen Laune kippen, so dass Zimmermann nichts zu befürchten hatte als der Bulle wieder zu ihm
aufschloss. Zimmermann gefährdete sich mehr selber: Als zum Glück nicht er, sondern nur seine Karte über den Fels ins 20 Meter liegende Tobel stürzte, stand selbst dem kühnen Stier für einen Moment das Herz still. Der unerwartete Vorsprung durch Zimmermanns Fauxpas nützte der Muni geschickt um sich auf den Schluss des Wettkampfes einzustellen. Der Schreck folgte kurz darauf, als er plötzlich fühlte wie klebriges, warmes Blut über seinen Hinterlauf floss. Er wähnte sich wie einer, vom Spiess getroffenen Artgenossen in der Arena. Doch zum Glück war es nur die Flüssignahrung und nicht sein weisses Fell, die durch den Ast verletzt wurde. Der zweite Angriff des unsichtbaren Toreros folgte umgehend. Bei einem Sturz platze auch der zweite Gel des Bullen. Cholerisch wie Stiere nun mal sind, stürzte er sich blind vor Wut den Hang hinunter, hinein in ein Dornenfeld, das ihn noch mehr anstachelte. Zimmermann schaute ihm verduzt nach, sich fragend wieso der tobende Stier nun in die völlig falsche Richtung davonstürmte.

Der Stier war bezwungen. Die restlichen Kilometer trabte der weisse Bulle mit geknicktem Haupt weiter, bis er schliesslich nach knapp dreistündiger Hetzjagd die Emme überquerte und durch die mehr mitleidig als hämisch schauende Menschenmenge in die Arena einlief.

Hubmann, der zu Beginn des Rennens Mut zeigte war der schnellste der Flüchtigen. Sauter gewann mit einer überzeugenden Leistung die Prinzenkategorie, wobei dort kein wilder Stier hetzte, sondern nur einige zahme Rinder zu umlaufen waren.

Der „White Bull“ liess sich am Sonntag zähmen. Dieser Ausrutscher rüttelte nur wenig am Stolz und Selbstvertrauen des Stiers. Vielleicht fassen die Weissenbühler aber dadurch den Mut den Muni bald zu einem weiteren Wettkampf herauszufordern ..